30 Jahre ist es her, dass die denkstatt gegründet wurde. In der Zwischenzeit hat sich viel getan. In einem persönlichen Interview erzählt Christian Plas, Managing Director und Mitgründer der denkstatt mehr über die Anfänge und seine Einschätzung der derzeitigen Lage und der Zukunft vor dem Hintergrund der ökologischen Entwicklungen.
Lieber Christian, vor 30 Jahren wurde die denkstatt gegründet. In den letzten 3 Jahrzehnten habt ihr es geschafft, dass denkstatt zu einer internationalen Gruppe herangewachsen ist. Ihr habt euch einen Namen in der Nachhaltigkeitsberatung gemacht, und dass über die Grenzen Österreichs hinaus. Wer mit Nachhaltigkeit zu tun hat – insbesondere, aber nicht nur – kennt den Namen denkstatt. Wie kam es denn zu dem Namen?
Christian: Ich hatte damals die Idee, mich selbständig zu machen und habe Thomas Salzer gefragt, ob er mitmachen wolle. Er hat gleich eingewilligt. Bei einer Pikkolo-Flasche Sekt im Café Hawelka haben wir auch gleich diskutiert, wie denn die Firma heißen soll. Ich als Techniker hätte eher eine kantige Abkürzung gewählt, klassisch mit drei Buchstaben oder so. Tom war unser kreativer Kopf und ist mit einem großen Einfallsreichtum gesegnet. Damit wussten wir, dass wir für unser Vorhaben einen außergewöhnlichen Namen brauchen. An dem Abend sind wir bei denk.mal gelandet. Am nächsten Morgen hat mich Tom aber angerufen und sagte: „denk.mal ist nichts. Wie wäre es mit denkstatt?“ Und da war sofort klar – das ist es! Und das ist nun 30 Jahre her.
Vor dem Namen kam ja die Idee der Gründung auf. Warum wolltest du ein Unternehmen gründen und welche Vision hattest du?
Mein intensiver Kontakt mit der Industrie hat mich damals inspiriert. Ich wollte im Umweltbereich was weiterbringen. Und zwar nicht im Sinne der Nachsorge, sondern proaktiv bei den Prozessen ansetzen, damit Unternehmen mehr Ressourcen schonen und Energie sparen können. Solche Beratungsangebote gab es früher in der Form nicht. Und damals hätte ich auch nicht gedacht, dass wir heute mit denkstatt da stehen, wo wir stehen. Ich dachte mir, wenn wir es mit unserer Idee schaffen und es gut läuft, sind wir 6 oder 7 Leute, die spannende Projekte machen. Es gab weder einen Masterplan noch eine Vision. Wir haben einfach angepackt und uns mit einer guten Intention und großen Motivation selbständig gemacht. Und da würde ich sagen, dass meine Motivation mit den Umwelthemen der 70er und 80er Jahre gewachsen ist.
Was hat sich aus deiner Sicht hinsichtlich der ökologischen Herausforderungen verändert? Was waren die Themen vor 30 Jahren, welche sind es heute?
Da hat sich viel getan. Wenn wir von Umweltproblemen sprechen, waren es damals vor allem Abfall-, Luft- und Wasserprobleme. Das hat sich bis heute natürlich gravierend verändert. Die Entwicklungen, auf die wir durch den Klimawandel zusteuern, waren uns schlichtweg nicht bewusst – es war auch gesellschaftlich kein Thema. Nachhaltigkeit als Begriff gab es nicht. Aber ich bin davon überzeugt, dass nicht nur die Themen und die Sprache anders war, sondern auch die Haltung. Umweltbewusstsein war damals vielleicht sogar weiter verbreitet als heute – zum Beispiel in den Zeiten des sauren Regens oder des Ozonlochs. Es war auch die Zeit der Energiekrise. Die Menschen waren in meiner Jugend bereit, einen Tag pro Woche auf ihr Auto zu verzichten. Heute ist es ein völlig anderer gesellschaftlicher Diskurs.
Was dominiert denn den heutigen Diskurs um Nachhaltigkeit?
Ich denke, es ist einerseits die Angst vor dem, was kommt. Die Wissenschaft ist heutzutage in der Lage, Zukunftsbilder nicht nur mit Wahrscheinlichkeiten zu belegen, sondern ganz klar zu skizzieren, wie die Welt in den nächsten Jahrzehnten ausschauen wird. Wir wissen sehr genau um die Auswirkungen der Klimakrise und das ist gerade für die junge Generation schwer auszuhalten. Ich kann mir das gar nicht vorstellen, wie man sich da fühlen muss. Deswegen versuche ich meinen Beitrag so gut es geht zu leisten und mit denkstatt einen möglichst großen Impact zu erzeugen und ich traue mich zu behaupten, dass wir bei denkstatt einen wirklich guten Ansatz entwickelt haben. Wir arbeiten wissenschaftlich und mit der Wissenschaft zusammen.
Neben der Angst ist die Gesellschaft aber auch von einer unheimlichen Polarisierung durchtränkt. Nehmen wir mal die Themen Fleischkonsum, Mobilität oder Klimastreik. Diskurse zu diesen Themen sind vor allem emotional und selten faktenbasiert oder wissenschaftlich fundiert. Hier spielen sicher auch die sozialen Netzwerke eine große Rolle, die allen eine Bühne bieten, die sich zu einem Thema äußern wollen.
Welche Voraussetzungen müssen deiner Ansicht nach erfüllt sein, um zu einer konstruktiven Form des Nachhaltigkeits-Diskurses zu finden?
Aus meiner Sicht gibt es da zwei große Hebel. Der erste hat mit Wissen und Bildung zu tun. Für die meisten Menschen sind die wissenschaftlichen Fakten zu Klimawandel und anderen Nachhaltigkeitsthemen schwer nachzuvollziehen und da beginnt bereits das Problem. Das wird dadurch verstärkt, dass es sich beim Klimawandel um ein komplexes Problem handelt. Die Kernbotschaft der 2 Grad Erderwärmung wirkt zunächst nicht besonders bedrohlich. Dass Teile der Erde unterschiedlich betroffen sein werden, es einen massiven Einfluss auf das Wetter hat und Extremwetterereignisse begünstigt, Ökosysteme nicht mehr ihre Leistung erbringen können und damit unsere Lebensgrundlage bedroht ist – das alles bedarf einer detaillierteren Erklärung.
Das zweite ist die Diskussionsbereitschaft. Heutzutage beharren die meisten auf ihrer Meinung, es fehlt an Selbstreflexion und Kritikfähigkeit. Das ist ein gefährlicher Nährboden für alternative Fakten. Außerdem braucht jeder Diskurs eine gute Moderation. Ansonsten drohen sich die Meinungen weiter zu verfestigen.
Diese beiden Hebel betreffen nicht nur die gesellschaftliche Ebene, sondern auch die Unternehmen. Wenn Entscheidungsträger*innen mit wissenschaftlichen Fakten nichts anfangen können, es an Reflexion und Offenheit fehlt, fallen die Ergebnisse von Projekten natürlich anders aus. Wurde die Dringlichkeit um Nachhaltigkeitsthemen verinnerlicht, können wir gemeinsam ganz viel bewirken, auch wenn der Change im Unternehmen natürlich noch immer herausfordernd ist. Das zeigt aber, wie wichtig Wissen und Bildung zu der derzeitigen Lage ist, und zwar in allen gesellschaftlichen Schichten und Altersklassen. Mit einer Revolutionierung des Bildungssystems wird es nicht getan sein. Wir müssen alle erreichen und in der Hinsicht sind wir auf gute Informationsangebote angewiesen.
30 Jahre sind eine lange Zeit und das Thema Nachhaltigkeit ist sicher kein leicht verdauliches. Wie hast du es geschafft, dir deine Motivation über all die Jahre zu bewahren? Vielleicht auch in schwierigeren Zeiten und Phasen?
Natürlich haben wir bei denkstatt nicht nur Höhen erlebt. Vor rund 25 Jahren haben wir uns unsere Daseinsberechtigung hart erarbeiten müssen. Manchmal wussten wir nicht, ob es sich am Monatsende ausgeht. Das liegt jetzt lange zurück und mittlerweile erleben wir das andere Extrem. Heute verzeichnen wir ein starkes Wachstum und müssen auf unterschiedliche Marktbedürfnisse in verschiedenen Ländern eingehen, in denen wir mit unseren Büros vertreten sind. Auch das muss gemanaged werden und bringt so seine Herausforderungen mit sich. Und auch wenn wir durch die EU-Politik sehr viel Rückenwind haben, kommt es vor, dass wirklich gute und sinnvolle Projektvorschläge nicht umgesetzt werden und in der Schublade verschwinden. Das kann schon frustrierend sein, auch für unsere Mitarbeitenden ist das alles nicht immer leicht. Was mich persönlich aber immer motiviert, sind die Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten darf. Was wir jetzt mit denkstatt bewirken, hätte ich nicht mal im Ansatz alleine schaffen können. Ich glaube, was mich in dem Zusammenhang besonders antreibt, ist, dass ich einfach nicht wegschauen kann, was da mit und auf unserem Planeten passiert.
Wir müssen etwas tun, wir haben keine andere Wahl. Unser denkstatt-Team, das genau daran arbeitet, liefert mir unglaublich viel Energie und was wir hier gemeinsam leisten, motiviert mich Tag für Tag. Das gilt natürlich auch für positives Feedback unserer Kund*innen. Wir haben immer wieder Projekte, in denen wir unglaubliche Ergebnisse erzielen können und das ist für alle motivierend. Deswegen denke ich, dass Zusammenhalt und Kollaboration so wichtig sind. Das gilt für den Nachhaltigkeitsbereich wahrscheinlich ganz besonders. Ein gutes Miteinander und Erfolge im Team sind ein gutes Gegengewicht zu dem ein oder anderen Rückschlag.
Du hattest gerade die Dynamiken auf EU-Ebene angesprochen. Wo würden wir deiner Meinung nach stehen, hätte es die Verpflichtungen vor 30 Jahren bereits gegeben, etwa durch die CSRD oder die EU-Taxonomie?
Wir würden uns alle leichter tun, wenn wir nicht so viel Zeit verloren hätten. Es gab ja schon genug Wissen zum Klimawandel, es wurde aber nicht genutzt. Hier ist definitiv die Politik gefragt. Denn ich glaube, dass wir das Klimathema nur lösen können, wenn die Politik die richtigen Rahmenbedingungen schafft, zum Beispiel in Form von Gesetzen und Steuern. Es entspricht nicht der Wettbewerbsdynamik, als Unternehmen mehr zu machen als man müsste. Ja, in vielen Fällen KANN ich das als Unternehmen gar nicht.
Aktuell vertrauen aber alle darauf, dass wir schon irgendeine Lösung finden werden und es uns dann ganz einfach gelingt. Was viele dabei vergessen: Umweltprobleme wurden in der Vergangenheit durch Verbote gelöst. Schwefel in Treibstoffen wurde verboten, um den sauren Regen in den Griff zu kriegen. FCKW in Spraydosen und Kühlschränken wurde verboten, um das rasante Wachstum des Ozonlochs aufzuhalten. Das hat funktioniert und war gut und sinnvoll. Es verleitet aber dazu zu glauben, dass wir auch die Erderwärmung mit einer ähnlich simplen Lösung abfedern können. Was hier anders ist: Wir müssen extrem viele Hebel gleichzeitig bedienen und das Problem der Treibhausgasemissionen als Konsequenz von Energieerzeugung betrifft eigentlich alle. Unsere Gesellschaft ist von Energie abhängig. Außerdem entspricht der Preis, den wir aktuell für Energie zahlen, nicht der Realität. Er ist einfach unverhältnismäßig zu den Auswirkungen, für die wir später – unsere Kinder und Enkel – einen sehr hohen Preis werden zahlen müssen.
Bleiben wir gleich bei der Zukunft. In welcher Welt leben wir in 30 Jahren und welchen Platz hat Nachhaltigkeit in der Gesellschaft und in der Beratung?
Ich bin generell ein Optimist und habe ein positives Bild von der Zukunft. Fossile Energie wird es in 30 Jahren nicht mehr geben und alle Geschäftsmodelle, die darauf aufbauen, werden nicht mehr funktionieren. Der Green Deal bindet ja auch das Finanzwesen mit ein, daher werden diese Unternehmen schon jetzt schwerer an Finanzierungen kommen. Diese Entwicklung ist bereits in vollem Gange. Verstärkt wird diese ganze Dynamik durch gesellschaftliche Strömungen, die mehr und mehr ihre Stimme erheben, wie die Scientist for Future Community beispielsweise, die immer lauter appelliert, die realen Entwicklungen und die Stimme der Wissenschaft ernst zu nehmen.
Mitunter merke ich auch eine große Solidarität mit der jüngeren Generation, die für das Klima auf die Straße geht. Ich persönlich stehe voll dahinter und habe höchsten Respekt davor. Ich glaube aber, dass diese ganze gesellschaftliche Entwicklung nicht konfliktlos vorrübergehen gehen kann und wird. Die gesellschaftlichen Verletzungen und Konflikte werden eine Aufarbeitung brauchen. Wo wir da in 30 Jahren stehen, werden wir sehen.
Technologische Probleme, um mit dem Klimawandel umzugehen, werden wir in 30 Jahren jedoch gelöst haben. Davon bin ich überzeugt. Wenn wir aber beim Klima bleiben – das wird sich unangenehm verändert haben mit all den Konsequenzen, die wir jetzt schon kennen. Jedes Bemühen, diese Entwicklung abzumildern, ist daher mehr als notwendig. Deswegen ist es für mich auch so wichtig, hier mit denkstatt einen Beitrag zu leisten – durch unsere wissenschaftliche Ausrichtung, durch unsere Expertise und durch unser Netzwerk und die Zusammenarbeit mit anderen wichtigen Akteur*innen. Denselben Anspruch wünsche ich mir von allen Nachhaltigkeitsberater*innen. Unsere Beratungsleistung muss den gesellschaftlichen Beitrag in den Mittelpunkt stellen. Es muss ein gemeinsames Zielbild 2050 sein, auf das wir hinarbeiten. Dabei müssen wir uns unsere positive Grundeinstellung bewahren.
Vielen herzlichen Dank für das Interview.
Danke auch.