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CSDDD: EU Lieferkettengesetz schlussendlich beschlossen
Nach langen Debatten, mehrfachen Entwürfen und Adaptierungen wurde die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), auch CS3D oder EU-Lieferkettengesetz genannt, beschlossen. Am 15.3.2024 wurde der aktuelle CSDDD Entwurf von der EU Kommission angenommen, im Anschluss hat das JURI-Komitee des EU-Parlaments am 19.3.2024 mit 20 Stimmen dafür und 4 Stimmen dagegen zugestimmt. Für die finale Publizierung ist allerdings noch eine letzte Abstimmung im April ausständig.
Ziel der Richtlinie ist es, Menschen- und Umweltstandards entlang der Lieferkette zu verbessern, sowie verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln zu fördern. Mit dieser EU-Richtlinie soll sich dies ändern: Kritische Arbeitsbedingungen und umweltschädliche Prozesse entlang der Wertschöpfungskette sollen minimiert werden, indem Unternehmen für die Erfüllung der Kriterien in vor- und manchen nachgelagerten Geschäftsbereichen verantwortlich sind. So soll sichergestellt werden, dass die Produktion von angebotenen Gütern in der EU den Mindeststandards für Mensch und Umwelt entsprechen.
Rückblick: Debatten und Standpunkte
Die Geschichte der CSDDD geht schon einige Zeit zurück – eine solche Richtlinie wurde bereits vor vielen Jahren von verschiedenen Institutionen und Regierungen in den Raum gestellt. In manchen europäischen Ländern wurden auf nationalstaatlicher Ebene bereits vergleichbare Regularien umgesetzt. Im Februar 2022 wurde der erste Vorschlag zur CSDDD von der EU-Kommission ans Parlament und den Rat eingebracht. Erst im Dezember 2023 wurde ein Kompromiss gefunden und ein CSDDD Proposal veröffentlicht, zu dem sich der Rat, die Kommission und das Parlament offenbar einigen konnten. Kurz vor der finalen CSDDD-Abstimmung löste das Zögern der FDP in Deutschland jedoch Bedenken in mehreren Ländern aus.
Einer der größten Kritikpunkte war die Möglichkeit der zivilrechtlichen Haftung fehlverhaltender Unternehmen, welche im deutschen Lieferkettengesetz ausgeschlossen ist. Zusätzlich wurden Befürchtungen geäußert, dass Unternehmen ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten in Europa wegen zu hohem Bürokratieaufwand einstellen, Befürchtungen zu Umsetzungsproblemen, Belastung von KMUs sowie eine Verlagerung von der politischen auf die wirtschaftliche Ebene wurden ebenso als Kritikpunkte genannt. Statt Unternehmen in die Verantwortung zu ziehen, sollte die Politik Lösungen für Probleme an den jeweiligen Wirtschaftsstandorten finden und für deren Umsetzung sorgen.
NGOs und Klimaschützer*innen setzten sich hingegen für noch stärkere Regelungen ein, um Unternehmen in die Pflicht zu nehmen und Arbeitnehmer*innen vor allem in Entwicklungsländern zu schützen. Zu große Unterschiede zwischen Lohn- und Produktionskosten würden Vorteile für europäische Unternehmen zu Lasten von Mensch und Umwelt bieten. Um Unternehmen anzuziehen, verleitet dies Nationen dazu, immer günstigere Produktionsmöglichkeiten anzubieten, und so weiter zu einer Verschlechterung von Arbeits- und Umweltbedingungen beizutragen („race-to-the-bottom“).
Die verschiedenen Standpunkte lösten heftige Diskussionen und weitere Unsicherheiten bei Unternehmen aus. Viele warteten gespannt auf ein CSDDD Update und fragten sich: Wann kommt die CSDDD, was wird sie nun konkret fordern oder scheitert sie gar an den Diskursen? Jegliche CSDDD News wurden aufmerksam beobachtet und geteilt. Auch wenn das Gesetz noch nicht verabschiedet ist, können sich Unternehmen jetzt endlich auf die kommenden Anforderungen einstellen.
Bestimmungen des finalen Entwurfs zum Lieferkettengesetz: Zusammenfassung
Die Direktive enthält mehrere Artikel, in denen die konkreten Anforderungen an Unternehmen angeführt sind. Zwei Aktivitäten sind für Zielsetzung und Vision der Direktive zentral:
- Das oberste Ziel ist die Verhinderung von Menschenrechts- und Umweltverstößen entlang der Aktivitätskette durch geeignete Maßnahmensetzung und Risikominimierung. Bei neuen und bestehenden Zulieferern ist eine ESG Due Diligence durchzuführen.
- Im Falle von Nichterfüllung der Kriterien sind Unternehmen verpflichtet, zu handeln und sich für eine Verbesserung der Umstände einzusetzen. Dies kann zum Beispiel in Form von Trainings oder Audits geschehen.
Die Bestimmungen beziehen sich mehr oder weniger auf die gesamte Aktivitätskette – das heißt vorgelagerte (Upstream) sowie nachgelagerte (Downstream) Geschäftstätigkeiten. Während bei den vorgelagerten Aktivitäten alle Lieferant*innen miteinbezogen werden müssen, sind die Kriterien bei den nachgelagerten Aktivitäten entschärft worden. Hier sind nur mehr die nachgelagerten Tätigkeiten in den Bereichen Transport, Lagerung und Vertrieb abzudecken, wenn dies direkt im Namen des Unternehmens erfolgt. Indirekte Geschäftspartner*innen sind in nachgelagerten Aktivitäten daher nicht inkludiert.
Bei den eigenen Lieferant*innen, also vorgelagert, sind hingegen direkte, aber auch indirekte Geschäftspartner*innen erfasst: Alle Akteure in der vorgelagerten Lieferkette sind zur Einhaltung der Kriterien verpflichtet, auch wenn keine direkte Vertragsbeziehung mit dem der CSDDD unterliegenden Unternehmen vorliegt.
Die Texte lassen in dieser Hinsicht jedoch einen gewissen Interpretationsspielraum zu und mangeln an Präzision. Ob es hier im Zuge der weiteren Parlamentssitzungen und der Umsetzung in nationales Gesetz noch zur Klarstellung kommt, ist abzuwarten.
Konkrete Anforderungen an Unternehmen sind:
- Die Identifizierung und Steuerung von negativen Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt wird für betroffene Unternehmen verpflichtende Anforderung.
- Die Sorgfaltspflichten müssen in die Managementprozesse und die Unternehmenspolitik integriert werden. Das heißt die Einrichtung eines ESG Due Diligence-Systems zum risikobasierten Screening von Lieferant*innen ist erforderlich.
- Entlang der gesamten Wertschöpfungskette muss ein Beschwerdeverfahren etabliert werden und für alle Stakeholder zugänglich sein.
- Wirksamkeitskontrollen mit gegebenenfalls notwendiger Aktualisierung der Sorgfaltspflichten müssen risikobasiert etabliert und mindestens alle 12 Monate durchgeführt werden
- Über die Veröffentlichung jährlicher Berichte werden die Fortschritte transparent gemacht (Schnittstelle zur CSRD und den ESRS)
- In Bezug auf Klimaschutz muss ein Climate Transition Plan (CTP) implementiert werden
Konsequenzen bei Verstößen
- Zum einen sind Sanktionen vorgesehen, wenn betroffene Unternehmen die Anforderungen nicht erfüllen. Die Höhe der Strafe kann bis zu 5% des globalen Nettomusatzen betragen.
- Zweitens kann eine zivilrechtliche Haftungsregelung zur Anwendung kommen. Betroffene Personen oder deren Repräsentanten (einschließlich Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen), die einen Schaden erlitten haben, der durch die Nichteinhaltung der Sorgfaltspflicht durch ein Unternehmen verursacht wurde, können Schadensersatzansprüche vor Gericht geltend machen. Die Möglichkeit der zivilrechtlichen Haftung wurde schlussendlich allerdings angepasst und auf die nationalen Zivilprozessvorschriften beschränkt.
- Konsequenzen für indirekte Geschäftspartner sind abgeschwächt. Zivilrechtlich sind Unternehmen, wenn sie ihre Sorgfaltspflichten ignorieren, nur für ihre eigenen Pflichtverletzungen haftbar. Allerdings können Unternehmen auch bei Fahrlässigkeit zur Verantwortung gezogen werden. In solchen Situationen könnten Vorwürfe geäußert werden, dass die Erkennung der Risiken durch genauere Untersuchung möglich gewesen wäre. In der Praxis sind die Möglichkeiten zur genaueren Untersuchung mannigfaltig, deren Umsetzung sollte risikobasiert erfolgen.
Welche Unternehmen sind betroffen?
Während in früheren Versionen des CSDDD Texts die Grenze bei Unternehmen ab 500 Mitarbeiter*innen und einem Umsatz von über 150 Mio. EUR lag, wurden die Kriterien nun angehoben, sodass deutlich weniger Unternehmen betroffen sein werden: Schlussendlich gilt das Lieferkettengesetz für Unternehmen mit über 1000 Mitarbeiter*innen und einem Umsatz von über 450 Mio. EUR.
Spezielle Bestimmungen zu Unternehmen aus Hochrisikosektoren wurden in der Endfassung gestrichen. Als Resultat fallen nun ca. 0,05% der europäischen Unternehmen unter die zukünftige Regulative – dem ursprünglichen CSDDD Entwurf zufolge wären es weitaus mehr gewesen.
Je nach Anzahl der Mitarbeiter*innen und Höhe des Umsatzes gelten andere zeitliche Rahmenbedingungen.
Mehr dazu finden Sie hier.
Lieferkettengesetz für kleine Unternehmen
Kleine und mittlere Unternehmen sind in der CSDDD eigentlich nicht direkt inbegriffen. Allerdings können sie indirekt als Teil der Lieferkette von größeren Unternehmen betroffen sein. Für kleine Unternehmen, die bereits jetzt diverse Informationen an größere Kunden liefern müssen, kann eine einheitliche Regelung durch die CSDDD Vorteile bringen. Derzeit definieren viele Konzerne unterschiedliche Anforderungen und kleinere Lieferant*innen stehen dadurch unter Druck, uneinheitliche Kundenanforderungen abdecken zu müssen.
Gleichzeitig kann der Dokumentationsaufwand für KMUs heraufordernder sein. Im speziellen bei KMUs ist somit eine individuelle, risikobasierte Betrachtung Voraussetzung für die Definition von Anforderungen größerer Unternehmen an kleinere Lieferant*innen.
Lieferkettengesetz bei Banken und Finanzdienstleistern
Bereits im ersten CSDDD Text war der Finanzsektor von der Richtlinie ausgenommen. Finanzdienstleister sind auch schlussendlich nicht zur Einhaltung der Kriterien verpflichtet. Andererseits wird (laut eines Paragrafen in den Erwägungsgründen) trotzdem erwartet, dass Finanzdienstleister die negativen Auswirkungen berücksichtigen und deren Einfluss nutzen, um Unternehmen positiv zu beeinflussen. Hier mangelt der Gesetzesentwurf noch an genauen Bestimmungen.
Nicht-EU Unternehmen
Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern unterliegen dem EU-Lieferkettengesetz, wenn sie drei Jahre nach Inkrafttreten der CSDDD einen Nettoumsatz von mehr als 450 Millionen Euro in der EU erwirtschaften.
Wann tritt die CSDDD in Kraft?
Im April ist noch eine letzte Abstimmung im EU Parlament ausständig. Nach der finalen Zustimmung des Rats erfolgt üblicherweise die Publizierung im Amtsblatt. Innerhalb von 20 Tagen nach der Veröffentlichung tritt die Richtlinie in Kraft und innerhalb von zwei Jahren muss sie von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden.
In Deutschland wird höchstwahrscheinlich eine Anpassung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) bis spätestens 2026 vorgenommen, da der Umfang der geschützten Rechtsgüter und die Einhaltung der Sorgfaltspflichten in der CSDDD breiter ausfallen wird als es im deutschen Gesetz derzeit der Fall ist.
Wann die CSDDD praktisch schlagend wird, hängt von der Unternehmensgröße ab.
CSDDD Zeitplan
Beschäftigte | Umsatz | Erste Anwendungspflicht | Erste Berichterstattungspflicht |
---|---|---|---|
> 5000 | > 1500 Mio | 2027 | Für das Geschäftsjahr startend ab 1.1.2028 |
> 3000 | > 900 Mio | 2028 | Für das Geschäftsjahr startend ab 1.1.2029 |
> 1000 | > 450 Mio | 2029 | Für das Geschäftsjahr startend ab 1.1.2030 |
Ab 2027 müssen somit die ersten Unternehmen die CSDDD verpflichtend anwenden. Es ist also noch etwas Zeit – trotzdem sollte die Vorbereitung nicht unterschätzt werden, auch weil betroffene Unternehmen parallel weitere ESG Regulative vorzubereiten haben. Je früher sich Unternehmen mit den CSDDD-Anforderungen auseinandersetzen, desto leichter fällt die Umsetzung und desto wertvoller sind die daraus erlangten Erkenntnisse.
Die Erlangung von Transparenz in der Lieferkette ist als ein schrittweiser Prozess aufzubauen. Da die CSDDD eine umfassende Kenntnis aller und insbesondere der risikobehafteten Lieferant*innen voraussetzt, wird eine Auseinandersetzung u.a. mit den indirekten Lieferant*innen relevant. Dies erfordert ausreichend Zeit – bringt für Unternehmen aber erhebliche Vorteile mit sich. Disruptionen in der Lieferkette aller Art können schon im Voraus erkannt und mitigiert werden. Außerdem bietet eine Analyse der Lieferant*innen nicht nur Einblicke in potenzielle Risiken, sondern auch Chancen zur Stärkung der Geschäftsbeziehungen und langfristigen Sicherung von Ressourcen.
Lieferkettengesetz – Umsetzung und Nutzung von Synergien
Um die Sorgfaltspflichten zu erfüllen und alle Impacts der Wertschöpfungskette auf Mensch und Umwelt richtig zu erfassen, sollen die international anerkannten OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen herangezogen werden. Die OECD-Leitlinien für verantwortungsvolle Geschäftsgebaren beinhalten 6 Schritte:
- Integration der Sorgfaltspflichten in die Unternehmenspolitik und die Managementsysteme
- Identifizierung und Bewertung nachteiliger Menschenrechts- und Umweltauswirkungen
- Verhinderung, Beendigung oder Minimierung tatsächlicher und potenzieller nachteiliger Menschenrechts- und Umweltauswirkungen
- Bewertung der Wirksamkeit der Maßnahmen
- Kommunikation
- Bereitstellung von Abhilfemaßnahmen
Der Analyse- und Dokumentationsaufwand stellt für die meisten Unternehmen initial die größte Hürde dar. Durch sorgfältige Vorbereitung lassen sich jedoch Schnittstellen zu anderen Nachhaltigkeitsstrategien und Regulatorien identifizieren. In vielen Fällen können Unternehmen, die bereits ESG-Management betreiben, auf geleistete Vorarbeit zurückgreifen, Synergien nutzen und so den Aufwand minieren. Gleichzeitig können Unternehmen eine Basis schaffen, die nicht nur zur Erfüllung der EU-Richtlinie dienen, sondern auch zu holistischen Ansätzen für mehr Nachhaltigkeit im Unternehmen beitragen und für eine sinnvolle Transformation genutzt werden können.
CSRD, CSDDD und andere EU-Richtlinien
Auf der anderen Seite können bereits ausgearbeitete ESG-Strategien oder Dekarbonisierungspläne als Basis herangezogen werden. Demnach haben Unternehmen, die z.B. bereits einen Climate Transition Plan, ein nachhaltiges Lieferkettenmanagement oder ein Human Rights Risk Assessment erarbeitet haben, einen erheblichen Vorsprung. Klimaziele wie SBTi, so genannte sciece-based targets, und insbesondere die damit verbundene Berechnung der Scope-3-Emissionen bieten ebenso eine gute Grundlage.
Einige CSDDD-pflichtige Unternehmen unterliegen außerdem der EU-Entwaldungsverordnung sowie der EU-Richtlinie gegen Greenwashing oder CBAM. Die Anforderungen all dieser Richtlinien gemeinsam zu bearbeiten und Parallelen zu erkennen, spart viel Zeit und Ressourcen. Mit unseren umfangreichen Servicebereichen sind wir bestens gerüstet, Ihnen einen Überblick zu verschaffen und helfen Ihnen dabei, die Schnittstellen aller Anforderungen an Ihr Unternehmen zu identifizieren.
Unser multidisziplinäres Team aus ESG-Expert*innen steht Ihnen gerne bei der Vorbereitung sowie Umsetzung zur Seite!
Quellen:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A52022PC0071
https://www.trend.at/recht/eu-lieferketten-richtlinie-csddd-analyse
https://www.wko.at/noe/transport-verkehr/spedition-logistik/update-csddd
https://mneguidelines.oecd.org/OECD-Due-Diligence-Guidance-for-Responsible-Business-Conduct.pdf