Die regulatorischen Anforderungen an Unternehmen in der EU verändern sich stetig – besonders im Bereich Nachhaltigkeit. Mit der Omnibus-Verordnung hat die Europäische Kommission am 26. Februar 2025 weitreichende Erleichterungen für Unternehmen angekündigt. Weniger Berichtspflichten, eine klarere Struktur und mehr Flexibilität in der Umsetzung stehen dabei im Mittelpunkt. Doch was genau bedeutet das für Unternehmen?
Während der Weg zu einer nachhaltigeren Wirtschaft weiterhin Priorität hat, soll die Omnibus-Verordnung Unternehmen entlasten und bürokratische Hürden abbauen. Die neuen Regelungen betreffen vor allem die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und die EU-Taxonomie-Verordnung.
Folgend erläutern wir die Auswirkungen der Regelung auf Basis des aktuellen Zeitpunktes. Bitte beachten Sie, dass sich die Gegebenheiten durch neueste Entwicklungen stets ändern können. Die wichtigsten Punkte auf einen Blick finden Sie außerdem in unserem Two-Pager:
CSRD: Weniger Berichtspflichten, mehr Klarheit
Neue Schwellenwerte – Wer muss noch berichten?
Eine der bedeutendsten Änderungen betrifft die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Der Kreis der betroffenen Unternehmen wird enger gefasst, wodurch der administrative Aufwand sinkt. Künftig sind nur noch große Unternehmen mit mehr als 1,000 Mitarbeitenden und entweder einem Nettoumsatz von über 50 Millionen Euro oder einer Bilanzsumme von mehr als 25 Millionen Euro berichtspflichtig. Unternehmen aus Drittstaaten unterliegen ebenfalls neuen Schwellenwerten: Der Umsatz innerhalb der EU muss 450 Millionen Euro überschreiten, während Betriebsstätten in der EU erst ab 50 Millionen Euro Umsatz betroffen sind.
Diese Anpassungen bedeuten eine spürbare Entlastung für mittelständische Unternehmen, die bislang in die Berichtspflicht gefallen wären. Zudem entfällt die Verpflichtung, Nachhaltigkeitsdaten von nicht CSRD-pflichtigen Lieferanten einzuholen – eine Maßnahme, die in der Vergangenheit für viele Unternehmen eine Herausforderung darstellte.
Reduzierung der Berichtspflichten und Datenpunkte
Auch die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) werden überarbeitet und vereinfacht. Sektorspezifische Berichtsstandards entfallen, was Unternehmen mehr Freiheit bei der Gestaltung ihrer Nachhaltigkeitsberichte gibt. Ein weiterer bedeutender Punkt ist die Reduzierung der Berichtspflichten: Die Anzahl der zu meldenden Datenpunkte soll sinken. Ursprünglich waren 1,184 Datenpunkte erforderlich, davon 297 mit quantitativen Angaben. Die Omnibus-Verordnung sieht eine Überprüfung der Relevanz und Zweckmäßigkeit dieser Daten vor, um Unternehmen von unnötiger Berichterstattung zu entlasten.
Prüfungspflichten und Fristverschiebungen
Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die Prüfungspflicht: Anstelle eines verbindlichen Assurance-Standards werden nun Leitlinien für eine begrenzte Prüfung (Limited Assurance) eingeführt. Die ursprünglich geplante „Reasonable Assurance“ entfällt vollständig, sodass Unternehmen keine strengeren Prüfanforderungen für Nachhaltigkeitsberichte erfüllen müssen.
Eine weitere spürbare Erleichterung ist die Fristverschiebung für Unternehmen, die ursprünglich ab 2025 hätten berichten müssen. Für sie wurde die erste Berichterstattung um zwei Jahre auf das Geschäftsjahr 2027 verschoben. Dadurch erhalten Unternehmen mehr Zeit, sich auf die neuen Anforderungen vorzubereiten und interne Prozesse entsprechend anzupassen.
CSDDD: Vereinfachte Sorgfaltspflichten für Lieferketten
Verschiebung des Anwendungsbeginns
Ursprünglich war die erste Anwendung der CSDDD für Unternehmen der Gruppe 1 ab 2027 geplant. Die Omnibus-Verordnung sieht hier eine Verschiebung um ein Jahr vor, sodass die Vorschriften nun erst ab 2028 greifen. Unternehmen erhalten dadurch eine längere Übergangsfrist, um sich auf die neuen Anforderungen vorzubereiten.
Fokus auf direkte Geschäftsbeziehungen
Ein zentraler Punkt ist die Einschränkung der Sorgfaltspflicht auf direkte Geschäftsbeziehungen. Während Unternehmen bisher dazu verpflichtet waren, die gesamte Lieferkette zu prüfen, reicht es nun aus, sich auf ihre unmittelbaren Geschäftspartner zu konzentrieren.
Allerdings bleibt eine wichtige Ausnahme bestehen: Indirekte Lieferanten müssen nur dann in die Risikobewertung einbezogen werden, wenn plausible Informationen auf eine schwerwiegende Auswirkung hindeuten. Das bedeutet, dass Unternehmen sich grundsätzlich auf ihre direkten Geschäftspartner fokussieren können, aber dennoch verpflichtet sind, schwerwiegende Risiken in der weiteren Lieferkette zu berücksichtigen, falls diese erkennbar sind.
Lockerungen bei Überwachungs- und Haftungsregelungen
Zusätzlich wird das Monitoring der Geschäftsbeziehungen und die Bewertung von Maßnahmen weniger häufig erforderlich sein. Statt einer jährlichen Überprüfung soll künftig ein Monitoring in einem Fünf-Jahres-Rhythmus stattfinden, mit der Möglichkeit für Ad-hoc-Überprüfungen bei Bedarf.
Ein weiterer entscheidender Punkt ist die Abschaffung der zwingenden zivilrechtlichen Haftung. Unternehmen haften künftig nicht mehr automatisch für Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten, sondern die genaue Ausgestaltung bleibt den nationalen Gesetzgebern überlassen. Dies schafft Klarheit und reduziert rechtliche Unsicherheiten für international tätige Unternehmen.
Neue Regelungen zu Strafen und Sanktionen
Die ursprünglich vorgesehenen Höchststrafen von 5 % des weltweiten Umsatzes wurden nicht beibehalten. Stattdessen entwickeln die Europäische Kommission und die Mitgliedsstaaten neue Richtlinien für Sanktionen. Wie hoch diese Strafen ausfallen werden, bleibt von der nationalen Umsetzung abhängig.
Klima-Transitionsplan bleibt Bestandteil der Unternehmensstrategie
Trotz dieser Lockerungen bleibt die Verpflichtung zur Erstellung eines Klima-Transitionsplans bestehen. Unternehmen müssen weiterhin eine langfristige Strategie zur Emissionsreduktion vorlegen, auch wenn die Umsetzungspflichten weniger strikt sind als ursprünglich vorgesehen.
Harmonisierung der Sorgfaltspflichten in der EU
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Omnibus-Verordnung ist die Vereinheitlichung der Sorgfaltspflichten innerhalb der EU. Während Mitgliedstaaten in bestimmten Bereichen bisher strengere Anforderungen festlegen konnten, sind abweichende nationale Auslegungen ausgewählter Sorgfaltspflichten nun nicht mehr zulässig. Unternehmen können sich dadurch auf eine einheitlichere Gesetzgebung innerhalb der EU einstellen, was Planungs- und Rechtssicherheit erhöht.
EU-Taxonomie: Neue Freiheiten bei der Berichterstattung
Pflichten und freiwillige Offenlegung
Die EU-Taxonomie-Verordnung regelt die Berichterstattung zu taxonomiekonformen Aktivitäten, wobei zwischen verpflichtender und freiwilliger Offenlegung unterschieden wird:
Verpflichtend ist die Berichterstattung für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und über 450 Millionen Euro Nettoumsatz. Diese Unternehmen müssen ihre taxonomiekonformen Aktivitäten umfassend offenlegen.
Freiwillig können Unternehmen berichten, wenn sie mehr als 1.000 Mitarbeitende, aber weniger als 450 Millionen Euro Nettoumsatz haben. In diesem Fall können sie ihre taxonomiekonformen oder teilweise taxonomiekonformen Aktivitäten offenlegen.
Zusätzlich müssen in diesen freiwilligen Berichten die Umsatz- und CapEx-KPI (Investitionsausgaben) angegeben werden. Die Offenlegung der OpEx-KPI (Betriebsausgaben) ist hingegen optional.
Einführung eines Wesentlichkeitskonzepts
Ein entscheidender Punkt ist die Einführung eines Wesentlichkeitskonzepts für die Berichterstattung. Unternehmen müssen nur noch dann über taxonomiekonforme Aktivitäten berichten, wenn diese einen bestimmten Schwellenwert überschreiten. Ist der Anteil einer Aktivität am Gesamtumsatz oder an Investitionsausgaben geringer als 10 %, entfällt die Berichtspflicht. Für betriebliche Ausgaben (OpEx) liegt der Schwellenwert bei 25 % des Umsatzes.
Was bedeutet die Omnibus-Verordnung nun für Unternehmen?
Die Omnibus-Verordnung bringt für Unternehmen spürbare Erleichterungen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung und den Sorgfaltspflichten, ohne das übergeordnete Ziel einer nachhaltigen Wirtschaft zu vernachlässigen. Die Reduzierung der administrativen Anforderungen ermöglicht es Unternehmen, ihre Nachhaltigkeitsstrategie effizienter in das eigene Geschäftsmodell zu integrieren.
Weniger Bürokratie, mehr Fokus auf das Kerngeschäft
Durch den geringeren bürokratischen Aufwand entstehen neue Freiheitsgrade. Unternehmen können sich verstärkt auf nachhaltige Innovationen konzentrieren, anstatt Ressourcen für aufwendige Berichtspflichten zu binden. Dies ist nicht nur eine Kostenersparnis, sondern eröffnet auch neue Chancen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.
Gezielte Kommunikation mit Stakeholdern
Darüber hinaus können Unternehmen die freiwerdenden Ressourcen gezielt nutzen, um ihre Nachhaltigkeitsstrategien klarer an ihre Stakeholder zu kommunizieren. Investor:innen, Finanzinstitute, Kund:innen und die Öffentlichkeit fordern zunehmend Transparenz in Bezug auf nachhaltige Geschäftsmodelle. Die Omnibus-Verordnung bietet Unternehmen mehr Flexibilität, um ihre Nachhaltigkeitsleistung überzeugend darzustellen und so Vertrauen und Akzeptanz zu stärken.
Nachhaltigkeitsziele bleiben relevant
Trotz dieser Erleichterungen bleibt der Druck zur Dekarbonisierung bestehen. Unternehmen müssen weiterhin einen Klima-Transitionsplan vorlegen und langfristige Strategien zur Emissionsreduktion entwickeln.
Resilienz aufbauen und Risiken minimieren
Gleichzeitig wird die Notwendigkeit, Wertschöpfungsketten resilienter gegen klimabedingte Risiken und disruptive Ereignisse zu gestalten, immer wichtiger. Extreme Wetterereignisse und geopolitische Unsicherheiten können Lieferketten erheblich beeinflussen – ein vorausschauendes Risikomanagement wird daher zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor.
Neue Chancen für Unternehmen
Die Omnibus-Verordnung schafft somit nicht nur weniger Bürokratie, sondern auch neue Möglichkeiten. Unternehmen sollten die neuen Regelungen aktiv nutzen, um ihre Nachhaltigkeitsstrategie effizienter und zielgerichteter umzusetzen.
Entscheidend ist, die neuen Spielräume strategisch zu nutzen und Nachhaltigkeit gezielt in die Unternehmensstrategie zu integrieren.