Status quo: Nachhaltigkeit in Österreichs Großunternehmen

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Nachhaltigkeit ist mittlerweile eines der zentralsten Themen in der österreichischen Unternehmens­landschaft. Im EY Sustainability Barometer 2024 wurden Großunternehmen aus verschiedenen Branchen zu ihren Nachhaltigkeits­tätigkeiten, Zielen, Handlungsbedarf und Herausforderungen befragt. Die Ergebnisse zeigen, wie es mit den Nachhaltigkeitsbestrebungen der Unternehmen im Detail aussieht, was sie zu nachhaltigem Handeln bewegt und inwieweit das Thema Nachhaltigkeit integriert und Maßnahmen umgesetzt sind.

 

Berücksichtigt wurden in Österreich tätige Unternehmen mit mindestens 100 Mitarbeiter:innen, schlussendlich wurde die Umfrage mit 200 Unternehmen durchgeführt. Bei fast der Hälfte davon handelte es sich um kleinere Unternehmen mit 100 bis 250 Mitarbeitenden. Nur ein Viertel der befragten Unternehmen beschäftigt über 500 Mitarbeitende.

Die Studienergebnisse stehen hier zur Verfügung:

Table of Contents

Was Unternehmen zu Nachhaltigkeits­maßnahmen bewegt

Treiber für Nachhaltigkeit: Regulatorik auf Platz 1

Die Gründe für den Einsatz nachhaltiger Initiativen und Maßnahmen sind vielseitig, die stärksten Treiber sind jedoch Gesetze und Richtlinien. In 94 % der Fälle ist die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit im Unternehmen notwendig, um regulato­rischen Vorgaben zu entsprechen. Nur die Hälfte der befragten Unter­nehmen – darunter vor allem große Unternehmen mit über 250 Mitarbeitenden – sind durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) zur Nach­haltig­keits­bericht­erstattung verpflichtet. Somit spielt der EU Green Deal mit Sicherheit eine große Rolle, allerdings sind offenbar auch andere rechtliche Rahmenbedingungen ausschlaggebend.

95 % geben außerdem an, Vorgaben des Headquarters erfüllen zu müssen. Man kann annehmen, dass hier wiederum die Regulatorik eine Rolle spielt. Der Druck vom Markt, von Konsument:innen oder Mitarbeiter:innen wirkt sich auch recht stark auf die Handlungsentscheidungen von Unternehmen aus und erfordert in 48-85 % der Fälle eine Anpassung des Geschäftsmodells oder der Unternehmensstrategie. Durch den Vergleich mit der Vorläuferstudie aus 2021 zeigt sich, dass die Befürchtung von Reputationsrisiken gestiegen ist: Die Anzahl jener Befragten, die Nachhaltigkeitsinitiativen auf jeden Fall zur Vermeidung von Reputationsrisiken einsetzten, hat sich in den letzten drei Jahren verdoppelt.

Unverändert haben Forderungen von NGOs oder Medien am wenigsten Einfluss auf die Entscheidungen und Handlungen von Unternehmen hinsichtlich Nachhaltigkeit. 21-26 % gaben an, von diesen so gut wie gar nicht beeinflusst zu sein.

Unterschiedlich starker Einfluss von Nachhaltigkeit je nach Unternehmensgröße und Branche

Regulatoriken wie die CSRD finden erst ab einer gewissen Unternehmensgröße Anwendung, so sind größere Unternehmen grundsätzlich häufiger zu Nachhaltigkeits- und Klimaschutzmaßnahmen verpflichtet als kleinere Unternehmen. Laut der Befragung ist ein Drittel der Unternehmen mit einem Umsatz von über 200 Mio € stark und fast die Hälfte mittelmäßig vom Thema Nachhaltigkeit beeinflusst. Umsatzschwächere Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 50 Mio und 200 Mio € empfinden den Einfluss durchschnittlich als etwas weniger stark. Bei KMUs ist das Nachhaltigkeitsengagement noch schwächer ausgeprägt, wie eine Umfrage von 2023 zeigt. (1)

Unabhängig von der Unternehmensgröße sind die Automobil-, Verkehrs-, Infrastruktur- und Logistikbranche am stärksten zu Nachhaltigkeitsmaßnahmen bewegt. Wünsche von Investor:innen sind dort ausschlaggebender als in anderen Branchen. In der Konsumgüterherstellung ist hingegen der empfundene Einfluss von Nachhaltigkeit auf das Handeln der Unternehmen seit 2021 gesunken. „Dies könnte ein Zeichen dafür sein, dass in den letzten Jahren die Diskussion über die Weiterentwicklung im Mobilitätssektor deutlich stärker als in anderen Branchen zugenommen hat“, meint Christian Plas, Partner EY denkstatt.

Immer mehr Unter­nehmen setzen auf eigene Nach­haltig­keits­abteilungen

Obwohl dies im Jahre 2021 nicht erwartet oder geplant war, hat sich die Verant­­wort­lichkeit tendenziell von Eigentümer:innen, Vorstand, einzelnen Nachhaltig­keits­beauftragten oder Projektteams hin zu eigenen Abteilungen verlagert.
2021 lag bei fast der Hälfte der Unternehmen die Zuständigkeit beim Vorstand oder der Geschäftsführung und deren noch stärkere Involvierung war laut vielen Befragten geplant. Tatsächlich sind jene aber nur mehr in 34 % verantwortlich. Am ehesten ist dies bei kleineren Unternehmen der Fall. Auf Platz zwei der geplanten Änderungen lag die Ansiedelung von Nachhaltigkeitsagenden in eigenen Projektteams, auch deren Verantwortlichkeit ist stattdessen stark gesunken. Die Häufigkeit von eigenen Nachhaltigkeits­abteilungen ist währenddessen von 27 auf 38 % gestiegen.
Wer ist in Ihrem Unternehmen derzeit für das Thema Nachhaltigkeit verantwortlich?

Umsetzung von Maß­nahmen hinkt der Planung hinterher

Während über 90 % das Thema Nach­haltigkeit bereits in deren Unterneh­mens­strategie mindestens teilweise integriert haben, ist sie im Geschäftsmodell bei fast 60 % nur teilweise berücksichtigt. Die tatsächliche Umsetzung von Maßnahmen ist demnach großteils noch ausständig. Christian Plas erwähnt: „Die Nachhaltigkeits­transformation ist ein weiter Weg und Maßnahmenimplementierung braucht oft Zeit. Dass sich Nachhaltigkeit in den Bestrebungen und Visionen bereits verankert hat, ist ein wichtiger Schritt vorwärts.“
Ist das Thema Nachhaltigkeit bereits ein integrierter Bestandteil Ihrer Unternehmensstrategie/Ihres Geschäftsmodells?
Betrachtet man den Status Quo von Maßnahmen­planung versus -umsetzung im Detail, zeigt sich sogar ein leichter Rückgang innerhalb der letzten 3 Jahre: Im Governance-Bereich sanken die umgesetzten Maßnahmen durchschnittlich um 20 %, im ökonomischen Bereich um 17 % und im Ökologie-Bereich um 11 %. In vielen Fällen sind die Maßnahmen in anderen Worten auf den Status „in Planung“ zurückgefallen. „Die vorsichtigere Bewertung als vor 3 Jahren zeigt, dass die anstehenden Veränderungen nun kritischer gesehen und ernster genommen werden. Die Themen haben in den Unternehmen nun eine viel höhere Reife erlangt“, erklärt Plas. Der EU Green Deal hat viele Unternehmen vor neue Herausforderungen gestellt und umgesetzt geglaubte Ziele mussten überdacht und neue in die Planung mit aufgenommen werden. Plas ergänzt: „Vor allem in Österreich hatten sich viele Unternehmen in einer Vorreiter-Rolle gesehen und ihre Maßnahmen bereits für ausreichend befunden. Internationale Regelwerke haben hier neue Maßstäbe gesetzt. Aber auch die wirtschaftliche und politische Lage hat sich verändert und erschwert so manche Implementierungen.“

Wenig Veränderung gab es bei den sozialen Maßnahmen. Christian Plas fügt hinzu: „Das ist nicht verwunderlich: Soziale Aspekte sind über CSRD und Taxonomie erst in der zweiten Phase umgesetzt worden. Besonders deutlich wird das nun mit der Inkraftsetzung der CSDDD.“

Klimaziele: SBTi gewinnt an Beliebtheit

Konkrete, wissenschafts­basierte Ziele zur Treibhausgasreduktion stellen die Basis für eine realisierbare Dekarbonisierungs-Roadmap dar und helfen Unternehmen, die richtigen Schritte zu setzen und geeignete Maßnahmen einzuleiten. 64 % der Unternehmen gaben an, bereits Ziele gesetzt zu haben und 22 % planen dies in den nächsten zwei Jahren – somit engagieren sich über 80 % für Klimaschutz. Constantin Saleta, Senior Manager bei EY denkstatt: „Ambitionierte, wissenschafts­basierte Klimaziele sind nicht nur die Basis eines fundierten Klima-Transitionsplans und die Erfüllung der kommenden Berichts­anforderungen nach CSRD/ESRS, sondern werden auch zunehmend von sowie Arbeitnehmer:innen gefordert.“

Immer häufiger wird das Rahmenwerk der Science Based Targets initiative (SBTi) angewandt, um auf Unternehmen zugeschnittene Ziele festzulegen. Vorreiter sind hier die Automobil-, Verkehrs-, Infrastruktur- und Logistikbranche. In der Bau- und Immobilienbranche sowie Maschinenbau- und Metallindustrie fällt das Engagement geringer aus.

„In Zukunft werden Vorreiter-Unternehmen jedoch nicht mehr nur an ihren Zielen gemessen werden, sondern an konkreten Transitionsplänen und deren Implementierung“, ergänzt Saleta.

Haben Sie sich im Unternehmen Ziele zur Reduktion von Treibhausgasemissionen gesetzt? Wenn ja, welche?

Als Basis für Reduktionsziele ist die Berechnung des CO2-Fußabdrucks eines Unternehmens essentiell. Fast drei Viertel der befragten Unternehmen erheben derzeit bereits ihren Unternehmens­fuß­abdruck (CCF), 12 % planen dies innerhalb der nächsten 2 Jahre zu machen. Davon erhebt der Großteil auch den Fußabdruck der gesamten Wertschöpfungskette – also Scope 1, 2 und 3. 20 % erheben allerdings nur Scope 1 und 2 und lassen somit vor- oder nachgelagerte Tätigkeiten (beispielsweise von Zulieferern) außer Acht. Wie auch später in der Befragung bestätigt, stellen Nachhaltigkeits­maß­nahmen in der Lieferkette viele Unternehmen vor Herausforderungen. „Die Erhebung der Daten und Berechnung über die gesamte Lieferkette ist komplex“, stellt Iris Kral, Director Sustainability Services bei EY denkstatt, klar. „Man muss sich aber bewusst sein, dass der CCF die Basis für Investitionsprogramme der Unternehmen zur Dekarbonisierung ist. Mangelhafte Informationen können in der Praxis daher Fehlinvestments nach sich ziehen. Sorgfältiges Carbon Accounting ist daher die Grundlage für effektiven Einsatz der Finanzmittel!“

Fußabdrücke einzelner Produkte werden im Vergleich zu CCFs kaum erhoben. 9 % der Befragten – darunter vor allem kleinere Unternehmen – erheben gar keinen Fußabdruck und haben dies derzeit auch nicht vor.  Iris Kral fügt allerdings hinzu: „Mit der Taxonomie und weiteren Anforderungen merken wir, dass sich die Nachfrage nach PCFs im Moment massiv erhöht.“

Beliebteste Maßnahmen zur Dekarbonisierung

Optimierung im Energie­be­reich und Zukauf von CO2-Zertifikaten

75 % der Unternehmen möchten ihre Energieeffizienz verbessern. Knapp über die Hälfte möchte außerdem an der eigenen Energiebereitstellung mit erneuerbarer Energie arbeiten. Damit sind Maßnahmen im Energiebereich weitaus am beliebtesten, um zur Dekarbonisierung beizutragen.

Mit über 50 % an Befürworter:innen steht an zweiter Stelle der Zukauf von CO2-Zertifikaten aus Kompensationsprojekten. Zu CO2-Zertifikaten sollte man laut Margit Kapfer, Dekarbonisierungs-Expertin bei EY denkstatt, jedoch erst als letzte Maßnahme greifen, „wenn Emissionen aktuell noch nicht reduziert werden können, weil beispielsweise die technischen Möglichkeiten oder die Optionen in der Lieferkette noch nicht vorhanden sind. Hierbei ist immer darauf zu achten, dass die Zertifikate auch tatsächliche und langfristige Emissionsreduktionen bewirken und keine nachteiligen sozialen oder öko­logischen Effekte nach sich ziehen.“ Auch neueste Ergebnisse der Science Based Targets-Initiative zeigen, dass Kompensa­tions­maßnahmen unzureichend effektiv sind. (2) In den letzten Jahren sind auf diese Weise enorme Geldmengen in nicht werthaltige Zertifikate investiert worden. (3)

Umfassendere Transformationen wie Änderungen des Produktportfolios oder des Geschäftsmodells werden nur von ca. 15 % in Betracht gezogen.

Wie werden Sie in Ihrem Unternehmen zukünftig zur Dekarbonisierung beitragen?

Die größten Problem­bereiche für CSRD-pflichtige Unternehmen

Je größer das Unternehmen, desto wahr­schein­licher ist es von der CSRD betroffen: Fast drei Viertel der Großunter­nehmen sind durch die EU-Richtlinie berichtspflichtig, bei Unternehmen mit über 250 Mitarbeitenden sind es etwas weniger. Unternehmen mit 100 bis 250 Mitarbeitenden sind nur zu 25 % betroffen.

Datenbeschaffung und -qualität

30 % der Befragten ringen mit dem erhöhten Zeit- und Ressourcen­aufwand, der durch die Berichterstattungspflicht anfällt. Die größte Herausforderung liegt aber vor allem in der Datenbeschaffung und -qualität. 40 % der CSRD-pflichtigen Unternehmen gaben an, in diesem Bereich auf Probleme zu stoßen. Finn Laurien, Manager bei EY denkstatt, überrascht dies nicht, „denn bei der Vorlage konsolidierter ESG-Indikatoren in der verpflichtenden Nachhaltigkeitserklärung gibt es keine Kompromisse.“ Der Weg zu korrekt aufbereiteten und validen Daten ist komplex: „Grundlage ist eine Wesentlichkeitsanalyse, die es ermöglicht auf zentrale Datenpunkte zu fokussieren. Genauso wichtig ist die ESG-Data-Governance – denn schließlich muss für den Bericht ein prüffester Datenerfassungs-Prozess mit Kontrollschleifen vorhanden sein. Ziel der finalen Datenanalyse ist es, aus den Rohdaten konsolidierte Kennzahlen für CSRD-konforme Tabellen zu generieren. Hier gibt es aber auch Erleichterungen. Wenn an einigen Stellen die Datenqualität noch nicht ausreichend ist, können hier auch Hochrechnungen oder Schätzungen auf Basis valider Annahmen in den ersten Jahren aushelfen“, so Laurien.

Lieferkette

Die CSRD fordert Unternehmen außerdem auf, ganzheitliche Klima- und Sozial­strate­gien offenzulegen. Die Lieferkette ist in dieser Hinsicht ein wesentlicher Aspekt, der zunehmend als Hebel für soziale sowie ökologische Nachhaltigkeit erkannt wird. Amira Zauchner, Senior Managerin bei EY denkstatt, erklärt: „Starke Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt liegen häufig in der vor- oder nachgelagerten Wert­schöpfungs­kette. Bei vielen produzierenden Unternehmen sind eingekaufte Rohstoffe, Materialien und Komponenten die größten Klimatreiber. Auch Herausforderungen bei Arbeitsbedingungen und Menschenrechte finden sich vor allem in der internationalen Lieferkette, aber auch hier in Europa. Es geht um die Schaffung von mittel- bis langfristig resilienten Lieferketten, die nicht durch soziale oder ökologische Krisen aus dem Gleichgewicht geraten dürfen.“

Es ist also in vielerlei Hinsicht wichtig, Schritte in der Lieferkette zu setzen. Hier stoßen jedoch rund 40 % der Unternehmen bei der Implementierung von Maßnahmen auf Schwierigkeiten. „Erfolgsfaktor ist ein strukturiertes Vorgehen und Fokus auf jene Warengruppen und Lieferanten, bei denen die größten Impacts bzw. Risiken zu erwarten sind und bei denen auch ein gewisser Einfluss ausgeübt werden kann. Damit sind mit begrenzten Mitteln bereits rasche Fortschritte möglich“, so Zauchner.

Als weitere Herausforderungen werden von CSRD-pflichtigen Unternehmen finanzielle Beschränkungen, Regulatoriken an sich, Mangel an internem Know-How oder die Integration in bestehende Prozesse genannt.

Studienergebnisse

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